Die Stadt an der Seine war immer schon eine Reise wert. Im Bann des Fernwehs packte ich meinen Koffer und machte mich auf nach Frankreich. Der kalte Winter war vorüber. Das Ziel erstrahlte frühlingshaft triumphierend in aller Pracht und stand dabei seinem Ruf in nichts nach. Ich verließ den Bahnhof und war sofort umgeben von einem Duft der die Sinne zum Glühen brachte: frischer Kaffee, Gebäck in allen nur erdenklichen Formen und nicht zuletzt die Blumen. Blumen wie der Frühling selbst, in den erquicklichsten Farben. Auf dem Weg durchs städtische Grün, vorbei an einem Restaurant für Fisch, fand die Tour der Gerüche und Düfte seine Fortsetzung. Ein Kaufhaus mit Glaskuppel sollte folgen. Dort war es das Parfum, das sich betörend über die Sinne ergoss und den Atem raubte. Man wusste nicht wohin, so gut erging es dem eigenen Empfinden. Auf dem Champs-Élysées gab sich der Luxus die Ehre. Die Straße der oberen Zehntausend umgab Menschen in schicker Robe und teuren Frisuren.
Jugendstil aller Orten: Der Einstieg zu Métro wurde zum künstlerischen Genuss. Angekommen auf einer Plattform, hatte man einen Moment später das erste Wahrzeichen der Weltstadt zum Greifen nahe. Der Eiffelturm blühte wie eine Rose dem staunenden Betrachter entgegen. Dem Platz an der Sonne wollte ich anschließend entgegen streben. Verführt von den Gerüchten, die Liebenden würden sich dort treffen, führte mein Weg in Richtung des Hügels Namens Montmartre. Zuvor hatte ich jedoch erst einige Treppen zu überwinden. Gesäumt von einigen Malern, aber auch zwielichtigen Gestalten, trieb es mich Stufe um Stufe nach oben zum vermeintlichen Gipfel der Empfindsamkeit. Diesen erreicht, lies mich anfangs die Aussicht innehalten. Der Blick über die Stadt mit dem Ruf einer alten, vornehmen Dame, brachte einen Schauer der Demut über meinen Rücken. Sehnsucht brach über mich herein, heiß und kalt vereinten sich. Das Wandern hatte bereits jetzt seinen Lohn gebracht. Ich fasste mein Glück, ein Teil dieses Fleckens Erde geworden zu sein und blickte mich um. Da sah ich das, was mich dazu bewogen hat, diese Geschichte zu Papier zu bringen. Eine Dame, oder eher ein Mädchen, bekleidet mit Blumen diverser Couleur, stand am oberen Anschlag der Treppe, verschmolz fast mit der Natur, duftete und strahlte mehr als die schönsten Blüten selbst und hatte eine Aura, dass es mir die Sprache verschlug. Ich machte langsam einen Schritt zurück – sie sah mir entgegen –, noch bevor mir das Wort zurückkam, konnte ich einen Kontakt, eine Hand auf meiner Schulter vernehmen. „Sie ist ein Geschenk des Himmels. Seien Sie aufrichtig mit Ihr, sie kann sie weder sehen noch hören, doch riechen und fühlen, das sind die Schlüssel zu ihrem Herzen.“ Ich konnte nicht fassen was mir angetragen wurde. Die feenhafte Stimme verschwand, ich war wieder für mich alleine und nun umso unsicherer. Statt auf das Mädchen zuzugehen, zog ich mich zurück und verließ diesen magischen Ort in der Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Eine Nacht mit wenig Schlaf war vergangen. Ich stärkte mich für den Abend, wollte zum Sonnenuntergang erneut die Treppen der Liebe beschreiten. Das Verliebt-Sein hatte mich in seinen Bann gezogen, die Vollendung der Harmonie war Ziel auf meinem Weg. Als Gefangener Amors, wie an einer unsichtbaren Schnur, war ich marionettengleich meinem Schicksal erlegen, konnte nicht anders als automatisch zu folgen, funktionieren. Ich erklomm den Hügel, sah mich um und konnte Blüten über Blüten erkennen. Dort, wo noch gestern das Mädchen stand, war ein Meer aus Blumen geblieben – grenzenlos. Es schien unfassbar, wo war sie nur geblieben? O Aurelie! Ich näherte mich der Stelle, welche für mich noch einen Tag zuvor unerreichbar war, neigte mich dem Boden entgegen und wurde sofort von einem unbeschreiblichen Duft überflutet. Die Vergänglichkeit schien überwunden, doch das Mädchen war verschwunden. Der Duft aber blieb.
„Da stehe ich auf der Brücke und bin wieder mitten in Paris, in unserer aller Heimat. Da fließt das Wasser, da liegst du, und ich werfe mein Herz in den Fluss und tauche in dich ein und liebe dich.“
– Kurt Tucholsky
Eine Legende: Ewiges Paris.